Städtepartnerschaften: neuer Austausch geplant
Es ist immer gut, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen – das gilt auch für Kommunen. Städtepartnerschaften können dabei sehr hilfreich sein. Der Austausch mit anderen Städten gibt nicht nur neue Impulse für die eigene Stadt, sondern birgt auch das Potenzial für langjährige persönliche Freundschaften. Oranienburg pflegt momentan vier Städtepartnerschaften (Vught, Mělník, Bagnolet, Hamm). Nun könnte eine weitere hinzukommen.
Die Oranienburger Stadtverordneten haben sich in ihrer September-Sitzung dafür ausgesprochen, eine Städtepartnerschaft mit einer israelischen Stadt zu begründen. Das Land ist nicht zufällig gewählt. Oranienburgs Bürgermeister hat nach einer zweimonatigen Radreise quer durch Europa bis nach Israel 2004 das Land in besonderer Weise schätzen und lieben gelernt. Zudem steht es gerade Oranienburg mit seiner belasteten Vergangenheit sehr gut zu Gesicht, sich als ein Ort der gelebten Verständigung, Toleranz und des internationalen Austausches zu verstehen: „Wenn ich an Deutsche und an Juden denke, möchte ich nicht zuerst an Auschwitz oder Sachsenhausen denken, sondern an Freunde“, sagt Alexander Laesicke.
Freunde hat Oranienburg bereits in Frankreich in der Pariser Vorstadt Bagnolet, im tschechischen Mělník, in den Niederlanden in Vught und im westfälischen Hamm.
„Städtepartnerschaften wurden in Erfahrung um Krieg und Gewalt begründet, um abstrakte Freundschaftsbekenntnisse zwischen Völkern auf eine tiefpersönliche Ebene zu bringen. Deswegen beteiligt sich auch Oranienburg mit Herz und Überzeugung an der Pflege von Freundschaften über die Stadtgrenzen hinaus“, erklärt Alexander Laesicke die Bedeutung der partnerschaftlichen Beziehungen.
All diese Oranienburger Städtepartnerschaften haben ihre ganz eigene Entstehungsgeschichte (siehe Info-Kästen). Zu einigen Städten bestehen lockere freundschaftliche Bande. Andere Partnerschaften werden vor allem aufgrund gewachsener persönlicher Beziehungen intensiver gepflegt. Zu letzteren gehören eindeutig die Städte Mělník und Vught. Nun reiste Oranienburgs Bürgermeister erstmals in seiner Amtszeit mit Mitarbeitern der Verwaltung sowie einigen der neu gewählten Stadtverordneten im September in diese beiden Städte und traf auf ungeheuer herzliche Gastgeberinnen und -geber, interessante Gesprächspartnerinnen und -partner – und fand viel Gesprächsstoff.
Bei der mehrtägigen Reise ins niederländische Vught zeigte sich, dass beide Städte viele ähnliche infrastrukturelle Herausforderungen zu meistern haben: die ausbaufähige Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr am Rande großer Städte, die gemeinsame Vergangenheit als KZ-Standort mit all ihren heute noch zu spürenden Nachwirkungen, der Bauboom und die Innenstadt-Gestaltung.
Im Gegenzug besuchten auch die Vughter und die Mělníker Oranienburg, um jüngst beim Stadtempfang in der Orangerie am 2. Oktober teilzunehmen. „Unser Fazit nach den gegenseitigen Besuchen ist eindeutig, Partnerschaften unbedingt zu intensivieren, an alte Kontakte anzuknüpfen und neue aufzubauen – nicht nur auf Verwaltungsebene, sondern diese auch in die Bevölkerung zu tragen. Schlussendlich soll es ein reger Austausch zwischen den Bürgerinnen und Bürgern der Städte werden“, wünscht sich Nicole Döhler, seit August unter anderem zuständig für Städtepartnerschaften.
„Wir wollen gerade mit der jungen Generation die Erfahrung teilen, dass die Menschen auf der Welt im Wesentlichen sehr ähnliche Hoffnungen und Ängste erleben, ebenso wie Trauer und Glück. So soll sich Skepsis in Verständnis, Respekt und vielleicht sogar Faszination für vermeintlich Fremde verwandeln“, hofft der Bürgermeister.
So engagieren sich zwar schon heute Vereine wie der Blasmusikverein Oranienburg, der Blinden- und Sehbehindertenverband oder die Lebenshilfe, die Feuerwehr, Schulen wie die Jean-Clermont-Schule oder das Georg-Mendheim-Oberstufenzentrum, Chöre wie etwa „Viva la musica“ oder auch Privatpersonen für einen regen Austausch. Doch momentan findet sowohl auf Oranienburger Seite als auch auf Seiten der jeweiligen Partnerstädte ein spürbarer Generationswechsel statt. Alte gewachsene Strukturen brechen nach und nach weg; neue Beziehungen zu den Städten müssen also nun erst wieder aufgebaut werden.
„Haben Sie einen besonderen Bezug zu einer der Partnerstädte, zum jeweiligen Land, der Sprache und wollen Sie sich für eine aktive städtepartnerschaftliche Freundschaft engagieren? Dann melden Sie sich“, bittet Nicole Döhler die Oranienburger. Sprachhürden sind dabei übrigens das geringste Problem bei gelebten Städtepartnerschaften: Wo Sympathie und Interesse füreinander vorhanden ist, kann ein gemeinsames Lachen auch über manch kleines Verständigungsproblem hinwegtragen – und sogar über Ländergrenzen hinweg verbinden.
Oranienburgs Partnerstädte
Vught (Niederlande)
Vught mit seinen 26.000 Einwohnern verbindet eine wechselvolle Geschichte mit Oranienburg. Einerseits wurde in beiden Städten im Dritten Reich ein Konzentrationslager betrieben – bei Auflösung des KZ in Vught kurz vor der Befreiung durch die Alliierten wurden die Insassen nach Sachsenhausen und Ravensbrück deportiert, viele kamen hier ums Leben. Andererseits ist Vught die Heimat des Vaters von Louise Henriette von Oranien, Friedrich Heinrich (Frederik Hendrik van Oranje). Louise Henriette wiederum steht bis heute sinnbildlich für das aufblühende Oranienburg durch gelebte Toleranz. Beide Städte verbindet also eine besonders schöne und eine besonders dunkle Facette ihrer Persönlichkeiten. Auch deswegen wurde im Jahr 2000 die Städtepartnerschaft in Oranienburg besiegelt.
Mělník (Tschechien)
Die Stadt Mělník (20.000 Einwohner/innen) liegt 30 Kilometer von der Hauptstadt Prag und nur vier Autostunden von Oranienburg entfernt. Die Städtepartnerschaft zwischen Oranienburg und Mělník wurde 1974 begründet. Zunächst auf Verwaltungsebene, entwickelten sich die Beziehungen auch zwischen Schulen, den Feuerwehren und auch im kulturellen und sportlichen Bereich. Genau wie Oranienburg ist Mělník ein Vorort der Landeshauptstadt.
Bagnolet (Frankreich)
Die Städtepartnerschaft zum rund 36.000 Einwohner/innen zählenden Bagnolet besteht seit 1964 und ist damit Oranienburgs älteste Partnerstadt. Lange Zeit konnten nur Gäste in Oranienburg empfangen werden, da Gegenbesuche aus der DDR nicht möglich waren. Erst nach der Wende 1989 konnte die Partnerschaft mit Leben erfüllt werden. Auch Bagnolet grenzt direkt an die Hauptstadt, es gehört zu den sog. »Banlieues« von Paris.
Hamm (Nordrhein-Westfalen)
Im Oktober 1990 wurde die Partnerschaftsurkunde zwischen Hamm und Oranienburg unterzeichnet. Die Stadt Hamm unterstützte Oranienburg beim Aufbau der neuen Stadtverwaltung u. a. durch Entsendung von Mitarbeitern. Die freundschaftlichen Beziehungen werden von den Freiwilligen Feuerwehren sowie dem Blinden- und Sehbehindertenverband gepflegt. Hamm hat rund 180.000 Einwohner/innen und ist eine der größten Industriestädte des Ruhrgebietes.