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19.09.2019

Stadtverordnetenversammlung erneuert Toleranz-Leitbild

Zeichen setzen, Vorbild sein: Oranienburgs Stadtverordnete haben in ihrer letzten Sitzung das Toleranz-Leitbild, welches sich die Stadt 2008 gegeben hat, erneuert und bekräftigt.

Es ist eine Stadtgeschichte, wie sie wechselvoller kaum sein könnte: Der Geist der Toleranz, den Kurfürstin Louise Henriette in unser damals kleines Städtchen mitbrachte, und die Abwesenheit von Toleranz, als Oranienburg während des Zweiten Weltkrieges Standort von gleich zwei Konzentrationslagern wurde. „Wer sich Oranienburgs Geschichte anschaut, sieht, wie eine Stadt unter gelebter Toleranz aufblühen und wie sie unter Intoleranz zu einem Ort werden kann, an dem die schlimmsten Verbrechen geschehen“, sagt Oranienburgs Bürgermeister Alexander Laesicke. „Aus diesem historischen Gegensatz erwächst unsere Verantwortung für Weltoffenheit und Toleranz in der Gegenwart und Zukunft.“

Deshalb war es auch nur folgerichtig, dass sich Oranienburg 2008 ein Toleranz-Leitbild gegeben hat. Die erst im Mai neu gewählten Stadtverordneten haben jetzt das Leitbild erneuert und bekräftigt. Damit bekennt sich die Stadtverordnetenversammlung zu den Werten und Grundfesten der Resolution und einer aktiven Mitarbeit an einem friedlichen, toleranten Zusammenleben in unserer Stadt.

Immer wieder gibt es Aktivitäten, die die Gedanken von Toleranz und Vielfalt nachhaltig in der Stadt vertiefen. Als erste Kommune wurde Oranienburg 2008 offizieller Kooperationspartner der Landesinitiative „Tolerantes Brandenburg“. Im selben Jahr erklärte das Bundesinnenministerium die Stadt Oranienburg aufgrund ihrer Bemühungen zum „Ort der Vielfalt“. Ein besonderes Ereignis ist auch der Franz-Bobzien-Preis, der seit 2010 alle zwei Jahre gemeinsam mit der Gedenkstätte vergeben wird. Mit ihm werden Projekte für Demokratie und Toleranz in Brandenburg und Berlin gewürdigt.

 


Resolution »Leitbild Toleranz«

Beschlossen von der Oranienburger Stadtverordnetenversammlung am 12. August 2019

„Die Stadtverordnetenversammlung Oranienburg erneuert und bekräftigt ihr im Jahr 2008 beschlossenes „Leitbild Toleranz“ als Zeichen gelebter Demokratie sowie als Bekenntnis und Aufruf zur Zivilcourage.  Oranienburg bekennt sich als Stadt und als Lebensmittelpunkt von mehr als 45.000 Menschen mit dem „Leitbild Toleranz“ zu einer Haltung, die eine freiheitliche Gesellschaft – und damit die Stadt Oranienburg selbst – lebenswert macht.

Der Toleranzbegriff im Leitbild orientiert sich an der Erklärung zur Toleranz, wie sie von 185 Mitgliedsstaaten der UNESCO im November 1995 verabschiedet worden ist. In dieser Erklärung heißt es in Artikel 1: 

Toleranz bedeutet Respekt, Akzeptanz und Anerkennung der Kulturen unserer Welt, unserer Ausdrucksformen und Gestaltungsweisen unseres Menschseins in all ihrem Reichtum und ihrer Vielfalt. Toleranz ist eine Tugend, die den Frieden ermöglicht, und trägt dazu bei, den Kult des Krieges durch eine Kultur des Friedens zu überwinden. Toleranz ist nicht gleichbedeutend mit Nachgeben, Herablassung oder Nachsicht. Toleranz ist vor allem eine aktive Einstellung, die sich stützt auf die Anerkennung der allgemeingültigen Menschenrechte und Grundfreiheiten anderer.“

Die vielschichtigen historischen Wurzeln Oranienburgs sind Teil der Identität der Bewohnerinnen und Bewohner. Die Vergangenheit und ihre Bedeutung sind im Stadtbild nicht immer offensichtlich, haben aber die Stadt zu dem geformt, was sie heute ist. Die große Bedeutung der Toleranz kommt in dieser bewegten Vergangenheit zum Ausdruck. Es ist eine Erkenntnis aus der Geschichte, dass Oranienburg immer dann besonders  erfolgreiche und gute Zeiten erlebt hat, wenn das Klima in der Stadt von Weltoffenheit, Toleranz, Fremdenfreundlichkeit und Religionsfreiheit geprägt war. 

Den Grundstein des heutigen Oranienburger Toleranzgedankens legte bereits die Kurfürstin Louise Henriette von Oranien im 17. Jahrhundert mit ihrer liberalen Haltung. Diese fand in der Ansiedlung von religiös Verfolgten, der Unterstützung von sozial Schwachen und ihrer Bereitwilligkeit, das Wissen ihrer Heimat zum Nutzen dieses fremden Landes einzusetzen, ihren Ausdruck. Der Kurfürstin folgten Entdecker wie der Anilin-Erfinder Friedlieb Ferdinand Runge, der Nobelpreisträger Walter Bothe, der Wissenschaftsphilosoph Carl Gustav Hempel oder der ehemalige amerikanische Finanzminister Michael W. Blumenthal, heute Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Oranienburg.

Die Toleranz findet ihren Ausdruck aber auch im heutigen Umgang mit dem ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen. Das Gedenkstätten-Gelände zeigt den Besucherinnen und Besuchern eindrücklich die katastrophalen Konsequenzen auf, die sich ergeben, wenn an die Stelle von Weltoffenheit, politischer Freiheit und Toleranz Untugenden wie Chauvinismus, Volksverhetzung und Rassismus treten und so die geistige Stimmung eines Landes prägen.

Die Zukunft Oranienburgs verlangt nach Respekt, Achtsamkeit und Aufmerksamkeit für jeden Einzelnen und für das Zusammenleben. Wir wollen Möglichkeiten der Begegnung erhalten und ausbauen. Dazu braucht es das Engagement der Politik und aller Bürgerinnen und Bürger. Toleranz kann nicht allein staatliche Aufgabe sein, sondern ist eine Haltung, die jedes Mitglied einer aufgeklärten Zivilgesellschaft praktisch leben sollte.“