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19.03.2020

Wie wollen wir wachsen? Klare Regeln für Oranienburgs Wohnungsmarkt

Bis 2030 müssen in Oranienburg voraussichtlich beachtliche 6 350 neue Wohnungen gebaut werden. Dies ist das Ergebnis einer Bevöl-kerungsprognose für die Stadt. Sollte die Havelstadt weiterhin solch einen Zuzug wie momentan erfahren, würden im Jahr 2030 mindestens 50 900 Einwohnerinnen und Einwohner hier zu Hause sein.

Einerseits löst diese Beliebtheit der Stadt natürlich Freude aus. Hat sich Oranienburg doch endlich von seinem Image als grauem Durchfahrtsort auf dem Weg zur Ostsee befreit. Doch andererseits bereitet dieses Wachstum vor allem den Stadtplanern durchaus Kopfzerbrechen. Die zentrale Frage ist: Wie schnell will die Stadt wachsen? Und: Sollte sie überhaupt noch weiter wachsen? Stand heute müssten bis zum Jahr 2030 pro Jahr 600 bis 800 neue Wohnungen geschaffen werden. Zum Vergleich: Zwischen 2010 und 2014 wurden in Oranienburg durchschnittlich „nur“ 190 Neubauwohnungen fertiggestellt. Es ist also schon jetzt absehbar, dass die Zahl von jährlich 800 neuen Wohnungen ein sehr ehrgeiziges Ziel ist. „Das können wir gar nicht schaffen“, stellt Oranienburgs Baudezernent Frank Oltersdorf klar.

Die Folge: Wohnraum wird immer knapper in der Stadt. Die Mieten und Preise für Bauland schnellen in die Höhe. Bezahlbares Wohnen wird insbesondere für Menschen mit geringerem Einkommen immer schwieriger. Hinzu kommt: Die Zuzügler benötigen auch die entsprechende Infrastruktur wie Straßen, Kitas und Schulen, die wiederum die Stadt zur Verfügung stellen und finanzieren muss. Das ist ein riesiger Posten im Haushalt der Stadt. Kitas und Schulen platzen bereits aus allen Nähten, neue Einrichtungen werden gebaut und alte umfangreich saniert. Und trotzdem bleibt die Situation angespannt. „Die einstigen Planungen haben uns schon überholt. Das Tempo, mit dem wir wachsen, macht mir auch Sorge. Wir müssen den Zuwachs bewusster steuern, sonst rennen wir nur noch hinterher“, sagt Frank Oltersdorf.

Die Oranienburger Stadtverordneten hat er dabei auf seiner Seite. Im April 2019 haben sie einen bedeutenden „Grundsatzbeschluss zur Bodennutzung“ gefällt. Mit diesem hat sich die Politik dafür ausgesprochen, dass es künftig klare Regeln geben wird, wie Oranienburg mit potentiellem Bauland und Investoren umgeht. Dieser Grundsatzbeschluss wird zurzeit Überarbeitet und den aktuellen Entwicklungen angepasst.„Wir wollen nicht mehr von Investoren getrieben werden, sondern das Steuer in der Hand behalten. Boden ist ein besonderes Gut. Es geht darum, die Bodenspekulation einzudämmen“, so der Baudezernent. Deshalb ist Teil des Beschlusses auch die von der Stadtver-waltung erarbeitete Baulandstrategie. Sie schlägt Steuerungsmöglichkeiten vor, um als Stadt langfristig kontrollieren zu können, ob, wann, wo und in welcher Form neue Wohngebiete in der Stadt entstehen.

Denn es gibt gewichtigere Argumente als die Preishöhe, wenn die Stadt ihre Flächen an Dritte vergibt. Kleinin-vestoren, die Mehrfamilienhäuser in Oranienburg errichten wollen, müssen seit dem Inkrafttreten des Bodenutzungsbeschlusses bei ihrer Bewerbung um Flächen ein attraktives Konzept in der Tasche haben, das einen festgelegten Prozentsatz sozial verträglichen Wohnungsbaus genauso vorsehen muss wie die Schaffung notwendiger Infrastruktur, die Beteiligung an den Kosten der Baulandentwicklung oder eine klimaschonende Quartiersentwicklung. Städtische Baugrundstücke sollen grundsätzlich überhaupt nicht mehr verkauft werden: „Wir vergeben Flächen nur noch in Erbbaupacht, in der Regel für 99 Jahre. So haben wir nicht nur einmalige, sondern stetige Einnahmen, mit denen wir unser Vermögen halten und sichern können“, erklärt Frank Oltersdorf. Von großen potentiellen Baulandflächen, wie etwa in Friedenthal, will die Stadt sich erst gar nicht trennen, sondern diese im Bedarfsfall nur noch selbst entwickeln.

Mit dem Bodennutzungsbeschluss lässt sich auch ein Dilemma vermeiden, dass sich aktuell am Beispiel des ehemaligen DHL-Lagers an der Straße Am Wald zeigt. Dort entsteht momentan das neue Wohngebiet „Vorstadtgärten Aderluch“ mit 70 Reihen-, 104 Doppel- und 13 Einfamilienhäusern. Für Frank Oltersdorf stellt diese Umwandlung von Gewerbe- in Wohnflächen trotz der damit verbundenen Schaffung neuen Wohnraums auch einen Verlust für die Stadt dar: „Wir müssen aufpassen, dass wir nun nicht in den Sog geraten, Gewerbegebiete in Wohngebiete umzumünzen. Wo Menschen wohnen, wollen sie ja auch arbeiten. Genauso wie wir Wohnflächen schützen, müssen wir auch Gewerbeflächen sichern.“

Grundsatzbeschluss zur Bodennutzung

Mit dem „Grundsatzbeschluss zur Bodennutzung der Stadt Oranienburg“ haben die Oranienburger Stadtverordneten am 29. April 2019 die Baulandstrategie bestätigt und diese um wohnungs- und sozialpolitische Aspekte ergänzt. Das mehr als 100 Seiten umfassende Strategiepapier ist ein Instrument zur baulich-räumlichen Steuerung der Baulandentwicklung („was – wann – wo“). Sie zeigt Flächenpotenziale auf und gibt Handlungsempfehlungen für die Entwicklung von zumeist noch nicht baureifen Bauflächen. Ziel ist es auch, in Oranienburg eine sozialgerechte Bodennutzung zu etablieren, also letztlich preisgünstigen Wohnraum zu entwickeln. Eine beispielhafte Maßnahme: Werden Mehrfamilienhäuser gebaut, so muss künftig ein fester Prozent satz der entstehenden Nettowohnfläche geförderter Mietwohnraum sein. Dies gilt jedoch nicht für bis zum 19.04.2019 eingeleitete Planverfahren wie zum Beispiel in der Weißen Stadt, am Speicher, die Wohnanlage am Mühlenweg in Schmachtenhagen oder das Areal „südlich von Eden“.