Integriertes energetisches Quartierskonzept Weiße Stadt / Walther-Bothe-Straße
Die Bevölkerung der Stadt Oranienburg in der Metropolregion Berlin-Brandenburg wächst stetig – und somit auch die Nachfrage nach Wohnraum. Um sich als attraktiver Wohnstandort zu profilieren und gleichzeitig die Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor zu reduzieren, soll im Zusammenhang mit dem Stadtumbau des Quartiers Weiße Stadt / Walther-Bothe-Straße eine energetische Sanierung von Teilen des Wohnbestandes gefördert werden.
Hintergrund
Das Quartier Weiße Stadt / Walther-Bothe-Straße wurde im Jahr 2018 in das Städtebauförderprogramm Stadtumbau III aufgenommen. Eines der zentralen Handlungsfelder des Stadtumbaukonzepts, ist die klimaresiliente Stadt. Es beinhaltet sowohl Maßnahmen zur Herstellung barrierefreier öffentlicher Räume mit hoher Aufenthaltsqualität als auch die Berücksichtigung aktueller und sich künftig verstärkender Herausforderungen aufgrund stadtklimatischer Veränderungen. Sturmschäden, Starkregenereignisse und Hitzeperioden nehmen in europäischen Städten zu; Gebäude und Freiräume müssen zunehmend klimaresilient gestaltet werden, um auch künftig attraktive Lebens- und Aufenthaltsräume darzustellen. Als Maßnahme zur Umsetzung des Handlungsfelds wird die Aufstellung eines energetischen Quartierskonzepts definiert. Dieses Konzept greift auch die Ziele bezüglich der Einsparung von Treibhausgasemmissionen, der Etablierung zukunftsfähiger Mobilitätsformen und des Ausbaus regenerativer Energiequellen auf und dient somit als Umsetzungskonzept für alle energetischen und stadtklimatischen Ziele des Stadtumbaus.
Die Aufstellung von energetischen Quartierskonzepten wurde durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau im Förderprogramm „Energetische Stadtsanierung“ (Zuschuss 432) mit 65 % der Kosten für die Konzepterstellung bezuschusst. Der verbleibende Anteil wird durch die Städtebauförderung des Stadtumbaus (20 %) und durch den vom Landesfördermittelgeber vorgeschriebenen kommunalen Mindesteigenanteil (15 %) finanziert. Der Fördermittelantrag bei der KfW wurde am 22.04.2020 bewilligt.
Prozessablauf
Mit der Erstellung des Konzepts wurden die Büros B.A.U.M. Consult GmbH und die KEEA Klima und Energieeffizienz Agentur GmbH beauftragt. Der Erarbeitungsprozess startete im Frühjahr 2020. Von Mai bis August erfolgte die Bestandsaufnahme, welche die Sichtung vorhandener Konzepte, Gutachten, Analysen und Datengrundlagen sowie ausführliche Begehungen des Quartiers beinhaltete. Ziel der Begehung war die detaillierte Bestandsaufnahme jedes einzelnen Gebäudes sowie des öffentlichen Raums bezogen auf Aspekte der Klimawandelanpassung und Mobilität. Zu den einzelnen Fachthemen wurden vertiefende (Telefon-)Interviews mit den jeweiligen Fachleuten geführt. Zudem wurden die Anwohnenden über eine online-basierte Quartiersumfrage mit einbezogen, an der sich 85 Personen beteiligten. Im Anschluss wurden die Daten ausgewertet und Potenzialanalysen durchgeführt.
Zur Abstimmung von Ergebnissen sowie zur Maßnahmenentwicklung wurde eine fachliche Lenkungsrunde ins Leben gerufen. Das erste Treffen der Lenkungsrunde erfolgte Ende September 2020, in welchem die Ergebnisse der Bestandsaufnahme vorgestellt und Maßnahmenideen gesammelt wurden. Mitglieder der Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung wurden Anfang Februar 2021 im Rahmen einer Videokonferenz über das Quartierskonzept informiert. Dabei wurden die Maßnahmen priorisiert und ein Leitbild entwickelt, wodurch die Erarbeitung der Handlungsstrategie abgeschlossen war und der Abschlussbericht vervollständigt werden konnte. In einer zweiten, digitalen Sitzung der Lenkungsrunde wurde der Abschlussbericht final abgestimmt und der anschließende Umsetzungsprozess aufgezeigt. Zum Auftakt der Umsetzung des Konzepts wurde im Mai 2021 eine öffentliche Quartiersversammlung veranstaltet, um die Anwohnenden über die anstehenden Maßnahmen zu informieren sowie sie für dessen Umsetzung zu gewinnen. Diese fand aufgrund der Pandemiesituation auch digital über ein Videokonferenztool statt.
Das Ergebnis
Im Rahmen des Erarbeitungsprozesses wurden 26 Maßnahmen entworfen, die sich folgenden vier Handlungsfeldern zuordnen lassen.
Die Maßnahmen des Handlungsfelds „Strukturen“ sollen die Umsetzung des Konzepts sicherstellen bzw. effizienter gestalten. Zentraler Baustein ist die Einrichtung des Sanierungsmanagements. Dieses soll die Umsetzung des Konzepts fachlich begleiten, einzelne Maßnahmen der anderen Handlungsfelder initiieren, Akteure vor Ort miteinander vernetzen und als zentrale Beratungsstelle für energetische Sanierungsvorhaben im Quartier dienen. Die Ausweisung eines Sanierungsgebiets (§ 142 BauGB) eröffnet finanzielle Anreize für die energetische Gebäudesanierung.
Zentrales Motiv der Maßnahmen im Handlungsfeld „Gebäude und Energie“ ist die Senkung von Treibhausgasemissionen durch die Minderung des Strom- und Wärmeverbrauchs in Gebäuden sowie durch die lokale Erzeugung und Speicherung erneuerbarer Energien. Bei konsequenter und effektiver energetischer Gebäudesanierung im Quartier besteht ein theoretisches CO2-Einsparungspotential von 8.739 to CO2/a. Das entspricht einem Rückgang von 56 %. Weitere Einspareffekte können durch die Veränderungen im Verbrauchsverhalten und durch die Erzeugung von Strom auf PV-Dachflächen erzielt werden. Das Maßnahmenpaket dieses Handlungsfelds stellt den größten Hebel für den Klimaschutz dar.
Das Handlungsfeld „Urbanes Grün“ setzt den Fokus auf die Anpassung des Quartiers an die Folgen des Klimawandels. Gebäude und Freiräume sind zukünftig so zu gestalten, dass sie zunehmenden Hitze- und Dürreperioden und Starkregenereignissen angepasst sind. Im Sinne des integrativen Ansatzes des Konzeptes sollen die Maßnahmen möglichst auch Querschnittszielen dienen. Grünflächen sollen bspw. so umgestaltet werden, dass Sie das Niederschlagswässer länger in der Fläche halten und gleichzeitig zur Erhöhung der Biodiversität beitragen (z.B. Anlage von Wildblumenwiesen, Urban Gardening-Projekte); klimaresiliente Begegnungsorte erfüllen eine soziale Funktion und steigern durch ihre Gestaltung die Aufenthaltsqualität im Quartier; Gründächer verringern den Regenwasserabfluss und haben durch Kühlung einen positiven Einfluss auf den Energieertrag von Dach-PV-Anlagen. Aus der Stadtumbaustrategie wurde das Modellprojekt „klimaresiliente Walther-Bothe-Straße“ übernommen.
Das Handlungsfeld „Mobilität“ enthält Maßnahmen zur Förderung zukunftsfähiger und umweltgerechter Mobilitätsformen. Ziel ist die Reduzierung der CO2-Emissionen. Dazu sollen bspw. der Fuß- und Radverkehr im Quartier gefördert, Angebote für Carsharing und Elektromobilität geschaffen und die Nutzung des Busses attraktiver gemacht werden. Die Einführung eines Stadtbuses ist vorgesehen. Wichtiges Querschnittsziel dieses Handlungsfelds ist der Barriereabbau.
Wie geht es weiter?
Für die Umsetzung des Konzepts soll im nächsten Schritt ein Sanierungsmanagement eingerichtet werden. Dieses hat die Aufgaben die Umsetzung der Maßnahmen zu koordinieren und zu kontrollieren, die Akteure zu aktivieren und zu vernetzen und dient zudem als zentraler Ansprechpartner für Fragen zu Finanzierung und Förderung. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau bezuschusst 75 % der Kosten für das Sanierungsmanagement.
Download
Das Konzept kann hier abgerufen werden: