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02.05.2022

Franz-Bobzien-Preis 2022 geht an ein deutsch-ukrainisches Theaterprojekt

Zum siebten Mal in Folge haben die Stadt Oranienburg und die Gedenkstätte Sachsenhausen am Sonntag, den 1. Mai den Franz-Bobzien-Preis vergeben. Ausgezeichnet wurde „Babyn Yar – ein Requiem“, ein deutsch-ukrainisches Theaterstück, das des größten einzelnen Massakers an Juden während des Holocausts gedenkt.

33.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder sind dabei von den Nazis barbarisch ermordet worden. Das Stück, das in Kooperation zwischen dem dokumentartheater Berlin und dem Kiewer Theatre Studio 11 entstanden ist, besticht nicht nur durch besondere Authentizität und Gestaltungskraft, sondern hat als länderübergreifendes Projekt eines deutschen und eines ukrainischen Theaters vor dem Hintergrund des aktuellen Krieges eine ganz besondere Bedeutung. So dramatisch wie in diesem Jahr stand es um einen Preisträger noch nie: Im März, nur wenige Stunden nach der Jurysitzung zum Franz-Bobzien-Preis, wurde der Gedenkort Babyn Yar nahe der ukrainischen Hauptstadt Kiew bei russischen Bombenangriffen nahezu vollständig zerstört. Doch damit nicht genug. Auch das ukrainische Theater wurde von russischen Raketen beschossen und schwer beschädigt.

„Die Ereignisse machen mich tief betroffen und führen uns vor Augen, dass Frieden und Freiheit mehr sind als Worte, sondern Werte, die verteidigt werden müssen“, sagte Finanzdezernent Christoph Schmidt-Jansa bei der Preisverleihung in Vertretung des erkrankten Bürgermeisters. „Daher sind wir in Gedanken auch bei den Menschen, die in der Ukraine für ihr Land kämpfen müssen.“

Der Staatssekretär im Kultusministerium Steffen Weber, der den Preis übergab und die Laudatio hielt, versicherte den Theaterschaffenden und allen Menschen in der Ukraine die Solidarität der Landesregierung.

In einer bewegenden Vorstellung präsentierte das dokumentartheater Berlin Ausschnitte aus dem Stück „Babyn Yar“ und stellte mit Fotos von zerstörten Gebäuden und Schauspielerinnen des ukrainischen Partnertheaters die Verbindung zwischen 1941 und den heutigen Ereignissen im Ukrainekrieg her. Die rund 140 Gäste der Preisverleihung, erhoben sich von ihren Plätzen und applaudierten, darunter die Landtagsabgeordneten Nicole Walter-Mundt, Björn Lüttmann und Heiner Klemp, Stadtverordnetenvorsteher Dirk Blettermann und mehrere Stadtverordnete, sowie als Gastgeberin die stellvertretende Leiterin der Gedenkstätte Dr. Astrid Ley.

Der zweite Platz ging an den Verein „Gedenkstätte KZ-Außenlager Schlieben-Berga“. Ihm ist zu verdanken, dass das einstige Außenlager des KZ Buchenwald nicht dem Verfall zum Opfer fiel, sondern heute eine Stätte der Information und Bildung ist. Die Mitglieder des Vereins haben nicht nur den Ort als solchen erhalten, sondern durch ihr kontinuierliches Engagement die Geschichte des Ortes öffentlich sichtbar und zugänglich gemacht. Führungen, Ausstellungen, Foren, Fachveranstaltungen und verschiedene Projekte für Jugendliche bringen näher, was die Männer und Frauen des Vereins erforscht und dokumentiert haben. All das rein ehrenamtlich, ohne eine sonstige große Institution im Rücken.

Durch besondere Kreativität haben sich die Schülerinnen und Schüler aus Berlin-Spandau hervorgetan, die für ihren grafischen Roman »8. Mai – Oder: Was bedeutet Freiheit?« mit dem dritten Platz ausgezeichnet wurden. Basierend auf Zeitzeugenberichten haben sie die Geschichten der Menschen, die in Spandau das Kriegsende erlebt haben, in Texten und Bildern neu erzählt.

 

Rekordbeteiligung bei den Bewerbungen

36 Bewerbungen zum Franz-Bobzien-Preis 2022 – Corona zum Trotz – fanden ihren Weg in das Büro des Bürgermeisters. Das ist bisheriger Rekord. „Als wir im vergangenen Herbst die Ausschreibung auf den Weg gebracht haben, waren wir etwas skeptisch, ob es in einer Zeit, in der unser gesellschaftliches Leben zeitweise komplett heruntergefahren war, überhaupt Projekte und Initiativen gegeben hat, die sich der Toleranz und Demokratie verschrieben haben“, sagt Bürgermeister Alexander Laesicke. „Umso beeindruckter waren wir, nicht nur über die Vielzahl an Bewerbungen, sondern vor allem auch über die Vielfalt.“ Ob Geschichtsrallye, Forschungsarbeit, Demokratiefest oder Musikauftritt, Theaterstück, Gedenkwanderung, szenische Lesung und vieles mehr: Die eingereichten Vorschläge zeichnen sich durch einen großen Ideenreichtum und besondere Kreativität aus.

Das befand auch die Jury, der neben Stadt, Stadtverordnetenvorsteher und Gedenkstätte der Zentralrat der Juden, das Tolerante Brandenburg, der DGB, die Arbeitsgemeinschaft Lager Sachsenhausen, das Sachsenhausen-Komitee, das Brandenburger Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, die Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung, eine Verwandte Franz Bobziens sowie der Tagesspiegel als Medienpartner angehören. Vor allem zeigt die Vielzahl der Projekte eines auch ganz deutlich: Wie wichtig und notwendig es in unserer Zeit ist, sich für manchmal so alltägliche erscheinende Werte wie Toleranz und Demokratie einzusetzen.

 

Hintergrund: Der Franz-Bobzien-Preis

Alle zwei Jahre vergeben die Stadt Oranienburg und die Gedenkstätte Sachsenhausen gemeinsam den mit 3.000 Euro dotierten Franz-Bobzien-Preis, um damit Projekte in Brandenburg und Berlin auszuzeichnen, die sich für Demokratie und Toleranz starkmachen und dabei auch die Aufarbeitung des Nationalsozialismus im Blick haben. Dotiert ist die Auszeichnung mit 3.000 Euro, Schirmherr ist der Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Dr. Dietmar Woidke.

Franz Bobzien war im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert. Er hat sich in seiner eigenen Leidenszeit bis zu seinem Tod für seine Mithäftlinge eingesetzt und ist als Symbol für Menschlichkeit in einer Zeit der Barbarei Namensgeber für diesen Preis geworden.

www.oranienburg.de/franz-bobzien-preis